29. Juni 2022

Bultmann und seine Nachfolger

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) veranstaltet nach eigenen Angaben zum Gedenken an den Theologen Rudolf Bultmann vom 2. bis 4. Oktober im Theologischen Studienseminar im bayerischen Pullach (bei Münschen) ein Symposium. Dort sollen die „lutherischen Bezüge“ sowohl in der exegetischen als auch in der systematischen Theologie Bultmanns für Nachwuchswissenschaftler herausgearbeitet werden. Vor 125 Jahren, am 20. August 1884, wurde der Sohn eines evangelischen Pfarrers in Wiefelstede bei Oldenburg geboren. Der Tod ereilte ihn am 30. Juli 176 in Marburg.

Bischöfliche Erklärung der VELKD gegen Bultmann

Schon sein Vater wandte sich der liberalen Theologie zu, während seine Mutter zeitlebens ihre pietistischen Einstellung bewahrte. Bultmann besuchte das humanistische Gymnasium in Oldenburg und studierte nach dem Abitur Theologie und Philosophie in Tübingen und Berlin. Nach seinem ersten theologischen Examen promovierte er in Marburg mit der Arbeit über den „Stil der paulinischen Predigt“. Er wirkte in Breslau, Gießen und Marburg. In den Jahren des Nationalsozialismus schloss sich Bultmann der Bekennenden Kirche und dem Pfarrernotbund an, blieb aber bis zu seiner Emeritierung 1951 in Amt und Würden. Von einem offenen Widerstand seinerseits gegen die nationalsozialistische Herrschaft ist nichts bekannt. Während des Zweiten Weltkrieges macht der Liberaltheologe mit dem Vortrag „Neues Testament und Mythologie“ (1941) Furore. Bultmanns Entmythologisierungstheologie führte auf der Flensburger Synode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) 1952 zu einer bischöflichen Erklärung, die sich gegen Bultmanns neutestamentliche Ausrichtung stellte. Doch zwanzig Jahre danach erklärte der Landesbischof Eduard Lohse vor Bultmanns Tod sein Bedauern über die damals abgegebene Erklärung.

Philosophischer Grundgedanke bultmannscher Theologie

„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“ [Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie, 1941, 18]
Das Geschriebene in der Bibel über Dämonen, Engel, Himmel und Hölle sei „alles mythologische Rede“ und durch die Wissenschaft überholt.

Der Glaube ist nicht auf Jesus als Person gerichtet

In seinem Aufsatz „Die liberale Theologie und die jüngste theologische Bewegung“ habe sich Bultmann 1924 von der liberalen Theologie abgewendet und der dialektischen Theologie zugewandt. Dennoch blieb er der Auffassung treu, dass die Liberaltheologie zum Verständnis geschichtlicher Zusammenhänge beitrage und durch ihren Wahrheitsanspruch ihre Schüler zur Kritik erzogen habe. Mit seinem Buch „Jesus“ (1926) präsentiere Bultmann eine Gegendarstellung zur liberalen Theologie. Der christliche Glaube sei, so der theologische Philosoph, nicht auf Jesus als Person gerichtet, sondern auf das durch ihn verkörperte Kerygma (griech.: Botschaft, Verkündigung) und trennet damit den menschgewordenen Gottessohn Jesus von Christus.

Präexistenz und Jungfrauengeburt

Bei der Präexistenz (Lehre, dass Jesus Christus bereits vor seinem irdischen Leben existiert hat) und der Jungfrauengeburt Jesu Christi gehe es nicht darum, Jesu historische Herkunft zu erklären, sondern nur seine Bedeutung für den Glauben zu verdeutlichen.
Bultmann blieb bis zum Tod seiner Entmythologisierungstheologie des Neuen Testaments treu. Die Aussage, er habe seine Lehren nach Aussage eines anonymen Ohrenzeugen auf dem Sterbebett widerrufen, sei nicht belegt. Eine von Bultmanns Schülerinnen, Uta Ranke-Heinemann, verweist dazu auf einen Bericht von Bultmanns ältester Tochter.

 
Kommentar von Thomas Schneider:

Bultmann wirkt mit seiner Bibelkritik bis in die heutigen theolgischen Ausbildungsstätten hinein.
Die Bibel- und Dogmenkritik der Aufklärung setzt sich damit unaufhaltsam fort, um, wie die Nachfolger Bultmanns betonen, das Auseinanderklaffen von christlicher Frömmigkeit und wissenschaftlichem Denken zu vermeiden. Und es scheint, als sei die Liberale Theologie unter dem lutherischen Dach der VELKD die allgemein herrschende theologisch-kirchliche Richtung geworden. Zur VELKD gehören 8 Landeskirchen:
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig
Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs
Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe
Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

Zitat von Rudolf Bultmann:

„Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen überhaupt reden darf) gesühnt werden? Welche primitiven Begriffe von Schuld und Gerechtigkeit liegen solcher Vorstellung zugrunde? Welch primitiver Gottesbegriff? Soll die Anschauung vom sündentilgenden Tode Christi aus der Opfervorstellung verstanden werden: welch primitive Mythologie, daß ein Mensch gewordenes Gotteswesen durch sein Blut die Sünden der Menschen sühnt!“

[Neues Testament und Mythologie, 1941, 20]

Bultmann meinte, christlich glauben zu können, obwohl seiner Behauptung nach Jesus rein mythologisch zu verstehen sei. Mit seiner Irrlehre prägt er ganze Theologengenerationen.
Sein 125. Geburtstag bietet Anlass, über die verheerenden Folgen seines Lebenswerkes in Theologie, Kirche und Gesellschaft nachzudenken. Mit seinen Thesen stellt er die biblische Heilgeschichte völlig auf den Kopf und betreibt – auch noch nach seinem Tod – den Verkauf der christlichen Botschaft an die atheistische Philosophie.
Gott sei Dank blühen weltweit nicht die Kirchen, die Bultmanns Theologie verbreiten, sondern die, in denen der Wahrheitsanspruch der Bibel in Jesus Christus gelehrt und verkündigt wird. Mögen alle, die der Lehre Bultmanns auf den Leim gegangen sind, den Weg zum heilsgeschichtlichen und lebendigen Gott finden, der in seinem Sohn Jesus Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.