20. Oktober 2021

20 Jahre nach der Revolution: DDR nicht verklären

Quelle: idea.de

Der Inspektor des Sächsischen Gemeinschaftsverbandes, Matthias Dreßler, wandte sich dagegen, die Vergangenheit schön zu reden.

Schwäbisch Gmünd (idea) – 20 Jahre nach der friedlichen Revolution haben Christen davor gewarnt, die DDR zu verklären. Es dürfe nie vergessen werden, dass sie ein grausamer Unrechtsstaat gewesen sei, hieß es bei einer Tagung, die vom 27. bis 30. September in Schwäbisch Gmünd unter dem Thema „Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre“ stattfindet.

Referenten sind vor allem Christen, die in der DDR schwer bedrängt wurden. Sie erinnerten daran, dass zwischen 1949 und 1989 rund 250.000 Bürger in der DDR verhaftet wurden, weil sie eine andere Meinung als die herrschenden Kommunisten hatten. Zuvor schon seien 148.000 Personen wegen angeblich antisowjetischer Propaganda eingesperrt worden. Von ihnen seien 96.000 in von den Nationalsozialisten übernommenen Konzentrationslagern und Gefängnissen an Hunger, Krankheit und Misshandlungen umgekommen. Im Blick auf Untersuchungen in Thüringen, dass sich heute mehr als 20 Prozent der Bevölkerung die sozialen Errungenschaften der DDR zurückwünschten, wandte sich der Inspektor des Sächsischen Gemeinschaftsverbandes, Matthias Dreßler (Chemnitz), dagegen, die Vergangenheit schön zu reden. Über genügend Kinderkrippen und Arbeitsplätzen sowie niedrige Mieten dürfe man nicht die allgegenwärtige Stasi, die Diskriminierung von Christen sowie die Toten an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze vergessen. Die Mauer nannte Dreßler ein Monument der Demütigung von 17 Millionen Deutschen.

Verehrung Stalins abgelehnt: Zwangsarbeit

Der 80-jährige Arzt Wolfgang Hardegen (Kaufbeuren), berichtete, dass er 1945 zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, weil er die befohlene Verehrung von Marx, Lenin und Stalin verweigerte und deren Bilder sowie eine rote Fahne zerstörte. Während der achtjährigen Haft sei er lange mit 400 Gefangenen in einem Saal untergebracht gewesen. Die medizinischen und sanitären Bedingungen seien katastrophal gewesen. Pfarrer Matthias Storck (Herford bei Bielefeld) wurde 1979 von der Staatssicherheit wegen landesverräterischer Agententätigkeit verhaftet und zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Der Vorwurf: Er habe die Behörden nicht informiert, dass Freunde fliehen wollten. Der wahre Grund sei aber das Engagement in christlichen Oppositionskreisen gewesen, so Storck. Er wurde später freigekauft. Aus seinen Stasi-Akten geht hervor, dass ihn sein Studentenpfarrer verraten hatte; auch der Gefängnisseelsorger und sein eigener Vater waren Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit.

Enttäuschte Hoffnung

Nach Ansicht des baptistischen Liedermachers Jörg Swoboda (Buckow bei Berlin) waren die Christen in der DDR gezwungen, immer wieder über die Bedeutung ihres Glaubens nachzudenken. Nach der friedlichen Revolution hätten sie gehofft, von westdeutschen Kirchenmitgliedern zu erfahren, wie sich der Glaube in einem demokratischen Staat bewähre. Allerdings hätten sie feststellen müssen, dass vielen Westdeutschen offensichtlich gar nicht bewusst war, dass ihre Werte nicht mit den Vorstellungen der gesellschaftlichen Mehrheit vereinbar seien, etwa im Blick auf Abtreibungen oder Ehrlichkeit.